Little Yogis, Big Hearts — Q+A mit Julia Drexler

Kinder sind heute oft großem Druck ausgesetzt – sei es durch Schule, Freizeitstress, Reizüberflutung oder soziale Medien. Viele Eltern suchen deshalb nach Wegen, ihren Kindern zu mehr Ruhe, Konzentration und Wohlbefinden zu verhelfen. Eine wunderbare Möglichkeit, all das zu fördern, ist Kinderyoga. Doch was genau steckt dahinter, warum tut Yoga Kindern so gut, und ist es wirklich nur etwas für ruhige, ausgeglichene Kinder?

Was ist Kinderyoga überhaupt?

Bei Kindern steht die Freude und Faszination an der Sache im Vordergrund. Das Üben der Haltungen darf spielerisch passieren und ganz ohne Wettbewerb und Leistungsdruck. Je regelmäßiger man die Übungen ausführt, desto deutlicher kann ihre positive Wirkung erfahren werden. 

Eine typische Kinderyogastunde besteht aus Bewegungsspielen, Atemübungen, Fantasiereisen, kleinen Meditationen und Entspannungseinheiten. Oft werden Tiere, Natur oder Märchen als Thema genutzt – so verwandeln sich Kinder in Löwen, Bäume, Katzen oder Schmetterlinge und erleben Yoga mit allen Sinnen.

Warum tut Yoga Kindern so gut?

Yoga wirkt auf vielen Ebenen: körperlich, geistig und emotional. Schon nach wenigen Stunden zeigen sich oft positive Veränderungen im Verhalten und Wohlbefinden der Kinder.








1. Förderung der Körperwahrnehmung und Motorik

Kinder lernen, ihren Körper bewusst zu spüren und zu steuern. Durch das Halten verschiedener Yogapositionen wird ihre Körperhaltung, Koordination und Beweglichkeit verbessert. Gleichzeitig stärken diese Muskeln und Gelenke auf sanfte Weise.
Gerade in Zeiten, in denen Kinder viel sitzen – sei es in der Schule oder vor Bildschirmen – ist Yoga ein wertvoller Ausgleich.

2. VERBESSERUNG VON KONZENTRATION UND AUFMERKSAMKEIT

Durch gezielte Atem- und Achtsamkeitsübungen lernen Kinder, ihren Fokus zu halten und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Viele Eltern berichten, dass ihre Kinder nach einigen Yogastunden ruhiger, konzentrierter und aufnahmefähiger werden – Fähigkeiten, die auch im Schulalltag von großem Vorteil sind.

3. Stärkung des Selbstbewusstseins

Wenn ein Kind eine schwierige Position schafft oder mutig wie ein Löwe brüllt, stärkt das sein Selbstvertrauen. Kinderyoga fördert eine positive Beziehung zum eigenen Körper und vermittelt: „Ich kann etwas!“
Durch den liebevollen Umgang im Kurs erfahren Kinder, dass jeder Körper anders ist – ohne Vergleich oder Leistungsdruck.

4. Emotionale Balance und Stressabbau

Auch Kinder spüren heute Stress: Schulaufgaben, Streit, Erwartungen – all das kann sie überfordern. Yoga bietet hier einen geschützten Raum, in dem Kinder lernen, ihre Gefühle wahrzunehmen und loszulassen.
Atemübungen helfen, sich bei überwältigenden Gefühlen oder Nervosität zu beruhigen, und Entspannungsphasen vermitteln ein Gefühl von innerer Sicherheit und Geborgenheit.

5. Förderung von Empathie und Gemeinschaft

Viele Übungen werden in Paaren oder Gruppen gemacht. Dabei erfahren Kinder, was Rücksicht, Vertrauen und Zusammenarbeit bedeuten.
Kinderyoga stärkt somit auch die soziale Kompetenz – ein wertvoller Aspekt in einer Zeit, in der digitale Kommunikation oft das echte Miteinander ersetzt.

Ist Yoga nur etwas für ruhige Kinder?

Ganz im Gegenteil! Oft profitieren gerade aktive, lebhafte oder unruhige Kinder besonders vom Yoga. Während ruhigere Kinder durch Yoga lernen, sich zu öffnen, dürfen temperamentvolle Kinder ihre Energie auf gesunde Weise ausleben und lernen, wieder zur Ruhe zu kommen.

Yoga ist kein starres System – es passt sich den Bedürfnissen der Kinder an. In einer guten Kinderyogastunde darf gelacht, getobt und gespielt werden. Die Ruhephasen werden nach und nach aufgebaut, ohne Zwang oder Druck.
So lernen auch zappelige Kinder, dass Stille nichts mit Langeweile zu tun hat, sondern eine Kraftquelle sein kann.

INTERVIEW MIT JULIA DREXLER, KINDERYOGALEHRERIN BEI KINDCLUB STUDIOs

Was hat dich motiviert, Yoga speziell mit Kindern zu machen?

Julia: Ich wollte einen Weg finden, meine beiden Ausbildungen (Kindergartenpädagogin & Yogalehrerin) und die Erfahrung in diesen Bereichen zu fusionieren. Zur Professionalisierung habe ich schließlich noch ein Kinderyogalehrer:innen-Diplom gemacht. Gleichzeitig war mir wichtig, der jungen Altersgruppe bereits positive Erfahrungen und Kontakt mit Yoga zu ermöglichen, der ‚Generation von morgen‘ essenzielle Werte wie z.B. Achtsamkeit, respektvoller Umgang, Selbstfürsorge mit auf den Weg zu geben.

Durch regelmäßiges und spielerisches Praktizieren spüren die Kinder die positiven Effekte von Yoga (die inzwischen auch wissenschaftlich belegt sind). Darüber hinaus fördert es eine Vielzahl von Fähigkeiten, wie Konzentration, Körperwahrnehmung, Beweglichkeit, Entspannung und Resilienz, was insbesondere in unserer schnelllebigen Zeit wichtig ist und die Kinder auf ihrem weiteren Lebensweg stärkt.

Kinderyoga wirkt ganzheitlich und nachhaltig und unterstützt die kindliche Entwicklung auf allen Ebenen - körperlich, mental sowie emotional. Ich möchte dafür einen Raum schaffen, indem die Kinder mit Freude die positiven Wirkungen von Yoga erfahren können.

Julia Drexler

Die diplomierte Kindergarten-/ Montessoripädagogin und Yogalehrerin leitet die Kinderyogastunden bei KINDCLUB STUDIOS

“Ich betone in all meinen Einheiten altersunabhängig, dass jeder Körper individuell ist und Yogahaltungen nicht immer gleich aussehen. Nicht jede:r braucht an jedem Tag dasselbe, nicht jede:r bringt dieselbe Energie mit. “

Wie reagieren Kinder auf Yoga?

Julia: Kinder und Yoga, passt das zusammen? - diese oder ähnliche Fragen stellt sich womöglich manch eine:r. Quer durch die Altersgruppen ist die Reaktion eine positive. Vor allem stehen bei den Kindern Spaß und Freude an gesunder Bewegung und die Lust an neuen Bewegungsformen im Vordergrund, gerne bringen sie ihre ausgeprägte Fantasie und Ideen mit ein. Sie folgen intrinsisch ihrem Bewegungsdrang, Spiel- oder Ruhebedürfnis. Auch lieben Kinder Rituale, wiederholende Elemente - eine Mischung aus neuem Lernen und bekannten Teilen ist daher in der Einheit ideal. Kinder sind vom Naturell neugierig, wissbegierig, experimentierfreudig und offen für die Welt. Sie werden spielerisch und mit allen Sinnen herangeführt und ganzheitliches Lernen passiert. Außerdem nehmen Kinder schon im jungen Alter intuitiv Yogapositionen ein. All diese kindlichen Veranlagungen werden im Kinderyoga genutzt.

Welche Altersgruppen unterrichtest du, und wie passt du deine Methoden daran an?

Julia: Für alle Altersgruppen gilt: Die Gestaltung einer ansprechenden Mitte - also ein zentraler, einladender Ort im Raum, der die Kinder neugierig macht und visuell anspricht. Eine Kreiskultur, in der die Kinder Gemeinschaft erleben. Musik und Yogabildkarten setze ich unterstützend ein, um den Fokus zu lenken, Spaß und Spiel von Klein bis Groß ist ein ‚Must-Have‘.

2,5-4 Jahre: Die Einheiten sind an die Aufmerksamkeitsspanne der Altersgruppe angepasst und daher kürzer. Ich arbeite basal, mit Handpuppen und anderen Materialien sowie rhythmischen Kinderyogaliedern. Ich biete einzelne Yogaelemente an und animiere zum spielerischen Ausprobieren.

4-6 Jahre: Ich arbeite viel mit Regeln (z.B. die Klangschale ist ein Zeichen dafür, dass sich jede:r wieder auf der Yogamatte einfindet und leise ist), mit den Bildkarten, spielerisch, rhythmisch. Die Betonung liegt auf Spiel, Spaß, Kreativität. Die korrekte Ausführung der Yoga-Positionen ist noch nicht ganz so wichtig, es geht vor allem um die Erfahrung mit dem eigenen Körper und was dieser alles kann (Fokus auf Bewegungserfahrungen). Als Maskottchen begleitet uns der kleine Yogi durch die Einheiten.

6-9 Jahre: Ich integriere viele Partnerübungen und Aufgaben, die man entweder für sich oder mit der Gruppe macht. Ich baue die Lesefähigkeit der Kinder ein, es wird dynamischer, Yoga-Haltungen werden genauer ausgeführt oder gehalten. Ich gebe alltagstaugliche Übungen für ein entspanntes Nervensystem mit und arbeite bewusst mit Affirmationen. Rederunden bekommen ebenso mehr Raum.

Wie gehst du mit unruhigen oder schüchternen Kindern um?

Julia: Das sieht bei jedem Kind sehr individuell aus, ich versuche einfühlsam an die Lebenswelt, den Erfahrungshorizont und die Interessen des Kindes anzuknüpfen. Jede:r soll ein ‚Willkommen bist du‘, ein ‚Namasté‘ spüren. Ich gebe den Kindern die Möglichkeit der Mitbestimmung und auch, ihre Wesensmerkmale und Eigenschaften auf positive Art und Weise einzubringen.

Was Regeln betrifft bin ich schon sehr klar, versuche auch dem Bedürfnis hinter einem Verhalten Raum einzuräumen (nicht immer ist das möglich ). Aktiven Kindern ermögliche ich das Erleben von innerer Ruhe und Entspannung. Die Arbeit mit Kindern ist als ein stetiger Prozess anzusehen, der Zeit und liebevolle Hingabe braucht.

Wie kann Yoga in den Schulalltag oder Kindergarten integriert werden?

Julia: Kindergarten: Eine tolle Idee ist es ein yogisches Begrüßungsritual einzubauen (z.B. eine Sonnengruß-Variante). Eine Asana der Woche, eine Achtsamkeits- oder Atemübung im Morgenkreis oder ein Yoga-Adventskalender (täglich gibt es eine neue Übung/Bildkarte; die Sammlung steht im Gruppenraum mit einer Yogamatte zum selbst wiederholen zur Verfügung).

Schule: Bewegte Pause mit Yoga, Fokusübungen vor einer wichtigen Einheit oder einem Test, Asanas zur Förderung der Konzentration (das sind vor allem Positionen, die das Gleichgewicht schulen, stehende Haltungen sind gut am Platz umsetzbar), Stuhl-Yoga, Arbeit mit Affirmationen z.B. auch in Kombination mit Yogahaltungen. Auch in der Schule funktioniert der Yoga-Adventskalender, die Asana der Woche oder der Mini-Flow der Woche (Kombination aus 3-4 Haltungen). Um den sitzenden Schulalltag aufzulockern kann man immer wieder Streck- und Räkelübungen einbauen, welche die Kinder mit neuer Energie erfrischen.

Wie läuft eine typische Kinderyogastunde bei dir ab?

Julia: Das zeitliche Ausmaß variiert je nach Altersgruppe, alle Einheiten sind aber nach ähnlichem Schema aufgebaut:

  • ein erlebbarer Wechsel von Bewegung, Ruhe, Ich und Wir.

  • Begrüßungsritual, eine themenspezifische Yogamitte

  • Baukastensystem (nach Sibylle Schöppel) - ein Grundgerüst mit Flexibilität bei der Durchführung mit verschiedenen Teilen (Bewegung, Atmung, Kreativität, Entspannung, Asana/Hauptteil)

  • Abschiedsritual

Welche Materialien oder Hilfsmittel nutzt du (z.B. Geschichten, Musik, Spiele)?

Julia: Yogasonne oder ein Tuch für die Mitte, Musikbox, den Yogaregelwürfel, die XL-Yogakarten (von Sibylle Schöppel) und weitere tolle Bildkarten, auch Stifte, z.T. diverses Material für Atemübungen/-spiele; meine liebevoll selbst gestalteten und ausgewählten Erinnerungsblätter (zum Anmalen, durchlesen und yogieren )

Gibt es bestimmte Yogaübungen, die Kinder besonders lieben?

Julia: Die älteren Kinder lieben den Adler (Krieger 2) und momentan die Kerze, die jüngeren Kinder mögen Hund, Katze, Pferd (Kuh), Maus (Stellung des Kindes), Schmetterling, Einhorn (Krieger 1) - was ihre unmittelbare Lebenswelt betrifft.

Das Berg-Sandhaufen-Vulkan-Spiel, ein Bewegungsspiel, das einen lustigen Mix aus Reaktionsvermögen, Körperspannung und Gute Laune bringt und zum Auspowern zwischendurch gut einsetzbar ist, erfreut alle Kinder.

Wie gehst du mit Leistungsdruck oder Vergleichsverhalten unter Kindern um?

Julia: Zu einem gewissen Grad ist es altersgemäß, dass sich die Kinder messen und vergleichen, man merkt jedoch auch den Einfluss der Umwelt und den Wettbewerb durch andere Sportarten/Vereine. Ich versuche einen Raum zu schaffen, wo die Kinder merken ‚Hey, ich bin gut so, wie ich bin‘. Ich betone in all meinen Einheiten altersunabhängig, dass jeder Körper individuell ist und Yogahaltungen nicht immer gleich aussehen. Nicht jede:r braucht an jedem Tag dasselbe, nicht jede:r bringt dieselbe Energie mit. Die Matte ist unser ganz persönlicher Space, hier gibt es uns. Es ist mir wichtig, dass Kinder auf ihre Grenzen hören, ihren Schutzkreis wahren. Auch ist jede:r eingeladen mitzumachen, aber es gibt Tage da braucht ein Kind vielleicht etwas anderes. Ich unterstütze kein Konkurrenzdenken, sondern jedes Kind darin, seinen eigenen Rhythmus zu finden, die Gruppe darin, ein faires gemeinsames Miteinander zu schaffen. Persönliches Ankommen und Wachstum sollen möglich sein und damit einhergehend die Steigerung des Selbstwertgefühls.

Welche besonderen oder berührenden Erlebnisse hattest du in deinen Kursen?

Julia: Es ist immer wieder schön zu sehen, an welche Aussagen, Elemente oder klitzekleine Details von meinen Einheiten sich die Kinder erinnern. Manchmal erhalte ich eine Zeichnung oder eine ganz tolle Erzählung. Außerdem sehe ich in den Augen der Kinder, die Freude und Begeisterung, wenn sie in der Sache aufgehen oder ganz bei sich sind z.B. ein Kind das im Schneidersitz mit der kleinen Sonne (Chin-Mudra-Haltung) mit geschlossenen Augen sitzt, während die anderen Kids zur Musik über den Mattenkreis hüpfen, laufen, tanzen.

Ein Bub (Kinderyoga 6-9 Jahre) hat letztens erzählt, dass die Hortleiterin gemeint hat: „(..) heute meditieren wir“ - daraufhin hat er erzählt, dass er ins Kinderyoga geht, allen anwesenden Kindern die kleine Sonne (Chin-Mudra-Haltung) gelernt und seinen Erfahrungsschatz geteilt - das erfüllt mich mit Stolz und purer Dankbarkeit.

Ein zweieinhalbjähriges Mädchen, dass laut ihrer Mama nur vom Kinderyoga und ‚mit den Kindern‘ redet, sie hat im Morgenkreis im Kindergarten und zuhause von Schildi Schildkröte, unserer Kinderyoga-Begleiterin, erzählt - nach der ersten Kinderyogastunde wollte sie zurück ins Yogastudio. Ein 5-Jähriger, der direkt nach dem Aufwachen an einem Samstag seine Mama fragt, wann endlich wieder Kinderyoga ist - so etwas berührt.

Welche Wünsche hast du für die Zukunft von Kinderyoga?

Julia: Kinderyoga zu verbreiten und erlebbar zu machen, denn Kinderyoga ist Herzensbildung <3

DANKE liebe Julia für das Gespräch und die schönen Stunden, die du für die kleinen Yogis schaffst!

nicole schurz